„Wir leben von der Nähe“ - So verändert Corona den Hospiz-Alltag

Beim Betreten in den Eingangsbereich der Villa am Hohenzollernring empfängt einen der Duft von frisch gebackenem Kuchen. Egal wo man gerade herkommt – es fühlt sich an, als käme man nach Hause. Sofort ist im Johannes-Hospiz eine gemütliche, heimelige Atmosphäre zu spüren. Trotz Corona.

Barbara H. (Mitte 50) lebt bereits seit ein paar Monaten im Johannes-Hospiz. Sie ist eine der Bewohnerinnen mit einem längeren Aufenthalt. H. hat Krebs – so wie die meisten Bewohner hier. „Als ich hier ankam wusste niemand, wie sich die Krankheit entwickelt. Dass ich so noch lange Zeit hatte, ist ein Geschenk“, sagt sie. Alle, die hier leben, sind in ihren Fähigkeiten zum Teil sehr eingeschränkt. Es gibt gute und schlechte Tage, sagt H., „heute ist eher ein schlechter“. Und man merkt, dass sie das Sprechen Kraft kostet.

Pflegefachkraft Monika Christen und ihre Kollegen versuchen täglich, die Pflege individuell auf das Befinden der Bewohner einzustellen. Ihnen und ihren Angehörigen soll möglichst jeder Wunsch erfüllt werden, „und das klappt meistens auch“, sagt Christen. Der Kuchen-Duft, der nun auch im Wohnzimmer im Erdgeschoss angekommen ist, gehört zum Haus, wie die Einrichtung, sagt Christen. Jeden Tag wird Brot oder Kuchen gebacken.

Knapp 30 Ehrenamtliche helfen in der Küche oder beim Abenddienst, sind für die Bewohner und ihre Angehörigen da. „Sie haben sehr gefehlt, denn sie machen vieles möglich“, sagt Christen.

Die Pandemie macht auch vor dem Hospiz nicht Halt – mit aller Macht wird aber versucht, die Bewohner das nicht spüren zu lassen. „Ich fühle mich hier geschützt. Ich weiß, dass sie aufpassen und alles unter Kontrolle haben“, sagt Barbara H. Ob sie Angst vor dem Virus hat? „Wir wissen ja alle, warum wir hier sind. Man ist ja eh auf dem Weg, aber ich möchte nicht an Corona sterben“, sagt sie.

Aus Sicherheitsgründen gilt Maskenpflicht –  ein großer Unterschied sagt Monika Christen: „Wir leben hier von der Nähe zu den Bewohnern und der Mund-Nasen-Schutz schafft einfach Distanz.“ Abgesehen von der Maskenpflicht gibt es eigentlich nur eine Einschränkung, die die Bewohner direkt erfahren, dafür aber gleich eine ziemlich drastische: die begrenzte Besucherzahl. Da es im Johannes-Hospiz nur zehn Plätze gibt, ist die Planung von Besuchen zwar eine organisatorische Herausforderung, aber nie unmöglich gewesen, so die stellvertretende Hospiz-Leiterin Astrid Hückelheim: „Wir hatten nie ein Besuchsverbot. Im März durften pro Tag nur zwei Besucher kommen, einer vor-, einer nachmittags. Jetzt sind innerhalb von 24 Stunden vier Besucher erlaubt.“ Gerade im März seien die Mitarbeiter jedoch an ihre Grenzen gekommen, „obwohl wir wissen, dass wir aufgrund unserer Größe in einer privilegierten Lage sind“, sagt Monika Christen. „Wenn wir Menschen sagen mussten, ‚das geht nicht‘, war das sehr schwierig, weil man den Wunsch der Angehörigen ja versteht.“ Es gab aber immer eine Lösung. Um die Bewohner zu schützen, nehmen die Mitarbeiter auch privat Einschränkungen in Kauf. „Wenn es eine Feier ist, und da sind zu viele Menschen auf engem Raum, dann geht man da eben nicht hin“, sagt Christen. „Und dafür sind wir unglaublich dankbar“, sagt Barbara H.

Sie hat hier viele Bewohner kommen und vor allem gehen sehen. „Das ist sehr traurig.“ Aber auch tröstlich: „Ich weiß, dass die Pflegerinnen wissen, was sie tun. Das nimmt etwas von der Angst weg.“ Auch für ihre Familie sei es eine Erleichterung, sie in guten Händen zu wissen. Genau das sei ihre Aufgabe, sagen Astrid Hückelheim und Monika Christen. Und die erfüllen sie jeden Tag – trotz Corona.

 

Renée Trippler, veröffentlicht am 22.10.2020 in den Westfälischen Nachrichten

Foto v.l.: Astrid Hückelheim und Monika Christen